Dienstag, 13. Dezember 2011

Obstsalat


Kennt ihr dieses Gefühl? Man sprudelt vor Ideen, liefert Beiträge, die Anerkennung finden, knüpft Kontakte und denkt sich, wow, heute läuft es aber gut! Man stellt schnell fest, dass es daran liegt, dass verschiedenste Leute aus unterschiedlichen Firmen (am besten noch unterschiedlicher Herkunft, Alter und Geschlecht) an einem Tisch sitzen und man fragt sich: Warum also arbeiten wir noch so oft in starren unternehmensinternen Konstrukten und Prozessen, wo doch die Ausbeute in interdisziplinären und firmenübergreifenden Ad-hoc-Gruppierungen bekanntermaßen höher ist?

Gerade in der Kreativwirtschaft, in der ich tätig bin, mutet das Festhalten an dem Prinzip Das-haben-wir-gemacht, also unsere Agentur, nicht nur gestrig, sondern so an als würde man sich dafür feiern, einen Obstsalat mit nur einer Frucht - sagen wir Bananen - angerichtet zu haben. Dabei sind viele bunte Früchte in der richtigen Dosierung besser als zehn Schüsseln mit jeweils nur einer Frucht, die sich Kunden dann noch mühevoll selbst anrühren müssen. Abgesehen davon schmeckt ein bunter Obstsalat einfach besser.

Warum also halten wir an der Banane fest? Ein Grund ist, dass auf Kundenseite Menschen sitzen, die danach bewertet werden, wie viele Bananen sie im Jahr "unters Volk" bringen. Ersetze „Bananen“ durch „Pressemitteilungen“ und „Menschen“ durch „Affe“ und schon ergibt sich dieses komische Bild von Affen, die Pressemitteilungen raus hauen... einfach und je mehr, desto besser.

Wir Agenturen und insbesondere die ältere Schule der Agenturleitung träumt noch immer den Traum von proprietären Standards, eigenen Tools und der Wirkung von austauschbaren aber meist wohlklingenden Positionierungsstatements, mit denen signalisiert wird, dass die eigene Kommunikationsleistung, so einzigartig sei, wie bei keiner zweiten Agentur. Großzügig wird darüber hinweg gesehen, dass man sich einen Großteil der Leistung, die man dazu braucht bei Freien (Mitarbeitern) dazukauft aber skrupellos sein eigen nennt. Es kommt noch schlimmer: Scheinbar völlig schmerzfrei wird auch ignoriert, dass Kunden meist sehr genau wissen, welche Leistungen eine Agentur wirklich selbst macht und welche sie auf dem Markt einkauft. Mantraartig lehren wir unseren Kunden im gleichen Atemzug, dass Transparenz und Offenheit heutzutage unverzichtbar sind.

So lange wie sich Agenturen weiter mit fremdem Federn schmücken, um zu einem bunten Obstsalat zu gelangen und Unternehmen ihre dressierten Affen danach abrichten, wie viele Pressemitteilungen sie raus donnern, bleibt der bunte Obstsalat eine Ausnahmeerscheinung. Entweder weil die Agenda zum Jahresrück- und Ausblicksmeetings einen Punkt Workshop enthält. Oder weil Agenturen so unverfroren behaupten, man sei eine Full-Service Agentur und biete integrierte Kommunikation an.

Beides ist irgendwie rührselig und hat komödiantische Züge. 

Bunter Obstsalat - interdisziplinäres Zusammenspiel verschiedener Sorten
 

Freitag, 25. November 2011

Can I pick Your brain?

Zwei Tage Berlin voller Begegnungen und wertvoller Gespräche. Zwei Tage, in denen ich Sichtweisen und Ideen zu Themen, wie "New Work", mein Konzept in die Selbständigkeit, Innovation, der neue Politikertypus und Kreativität in der Wirtschaft aufsaugen und inhalieren konnte. Ganz nebenbei habe ich zwei neue Menschen kennen gelernt: Der eine heißt Simon Blake, Coach und Berater für Unternehmen, die mit Hilfe der praxisorientierten Methode "Design Thinking" ihre Innovationskraft steigern wollen. Für SAP baut Simon gerade an einer Lab nach dem Vorbild von Google mit. Für Anfang 2012 plant er die dritte "Workationweek". Eine Symbiose aus Work und Vacation. Klingt als müsste ich hierzu meine Co-Ausdenker dringend motivieren, damit wir uns drei Tage am Stück in inspirierender Umgebung unserer Idee hingeben können. Klingt nach Arbeitsromantik. Ist es auch.

Der andere Mensch heißt Thomas Ramge, ist Autor und Redakteur, mit Schalk im Nacken und hyperaktiven Synapsen. Sein Buch "Marke Eigenbau" hat nach nur drei Jahren den Weg zu mir nach Darmstadt gefunden. Aber das ist eine andere Geschichte. Fakt ist, dass es mich inspiriert hat und auch ein Grund ist, warum ich jetzt diesen Blog schreibe. Ramges neues Buch "Data unser" steht kurz vor der Veröffentlichung und müsste allein der Syntax wegen Kultstatus erreichen und Anhänger in Scharen finden.

Überraschend in Berlin war für mich auch die gründlich vorbereitete Kritik eines scheidenden Kollegens an meiner Konzeptpräsentation. Seine Denkanstöße und Fragen haben mir bei einem gemeinsamen Frühstück Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Widersprüchlichkeiten und Verwässerungsgefahren aufgezeigt. Ganz abgesehen davon hat er mir damit auch praktische Alltagshilfe geleistet. Der restliche Gin vom Vorabend hat sich durch unser Gespräch schneller als sonst verflüchtigt. Ein doppeltes Dankeschön.

Kein Berlinbesuch ohne ein rauschendes Fest. Ich habe es ja gerade schon anklingen lassen. Am Vorabend gab es Gin Tonic in nicht mehr nachvollziehbarer Menge. Anlässlich des einjährigen Bestehens von "rethink" haben die drei Gründer ihre Agentur zur Partylocation umfunktioniert. Vielleicht lag es am Tag selbst - Donnerstag war schon immer der beste Weggehtag. Vielleicht auch an meinem günstigen Platz direkt an der Bar, wo eine halbe Körperdrehung mit zwei ausgestreckten Fingern ausreichten, um die Gin Tonic Order zu platzieren. Mit großer Sicherheit lief aber deshalb so viel Gin von der Theke über mein Glas in mein Innerstes, weil meine zwei Begleiter mit ebenso viel Ausdauer in immer kürzeren Intervallen ihre Körper drehten und Finger streckten.

Werbepause. An dieser Stelle möchte ich drauf hinweisen, dass es einen neuen Gin namens "Monkey 47" gibt. Für alle Gin-Liebhaber garantiert ein leckeres Tröpfchen "Made in Black Forest".

Zurück nach Berlin. Bezeichnend für meinen Trip war diesmal, dass der Austausch über mein privates Projekt und den Projekten, die ich als handlungsreisender Angestellter im Auftrag meines Arbeitgebers im Gepäck hatte, fließend waren. Auch wenn mein derzeitiger Arbeitgeber, sofern er denn darüber wüßte, not amused wäre, finde ich diese Vermischung normal. Das Networking nach wie vor zwischen Menschen stattfindet und nicht zwischen juristischen Personen, sollte allen Arbeitgebern klar sein. Und immer wenn es besonders menschelt, kann es passieren, dass man sich mit Geschäftspartnern eben auch über private Pläne, Ideen und Möglichkeiten austauscht. Das Ideen im Austausch reifen und gedeihen, ist ja auch keine neue Erkenntnis. Im Englischen gibt es für den bilateralen Ideenausstausch die unverblümte Frage: "Can I pick Your brain?" Eine Frage und Spielart der interpersonellen Kommunikation, mit der man zwar direkt mit der Tür ins Haus fällt, dafür weiß der Adressat aber auch, für wen und für was sein Gehirn jetzt instrumentalisiert wird. Ich habe beschlossen in meiner weiteren Incubationszeit ab sofort öfters mit der Tür ins Haus zu fallen. Gleiches gilt natürlich auch für euch und alle, die ich anzapfen werde: Please feel free to pick my brain!

"Mit der Tür ins Haus fallen" - In der Kommunikation der direkte Einstieg in die Sache.

Sonntag, 20. November 2011

Die Jobfalle


Ist es nicht sonderbar? Wir reden alle nur noch von Job, wenn wir über unseren Beruf sprechen. Im Gegensatz zu unseren Eltern, die ihre Angestelltentätigkeit rückblickend mit dem Pathos der Berufung beschreiben. Vergleichen wir jedochdie Zeit, mit der sich unsere Eltern, den Belangen ihrer Firmen als Angestellte widmeten, schneiden wir - die Jobber - deutlich schlechter ab. Sprich als Jobber arbeiten wir heute länger als die einst Berufenen von damals. Qua Definition der beiden Begriffe im etymologischen Sinne würde man genau das Gegenteil vermuten. Woran liegt das?

Schwarzbeere und Co. sind sicherlich die Fesseln des modernen Angestelltendaseins. Aus 40 Stunden pro Woche ist dadurch in der Wissensökonomie von heute - insbesondere auf Dienstleisterseite - stillschweigend eine 40 Stunden Woche mit 24/7 Bereitschaftsdienst geworden. Vergütet werden in der Regel aber nur die 40 Stunden. Die bösen Technologien tragen also die Schuld? Klingt irgendwie blöd, weil genau die gleichen Technologien uns ja auch viele Vorteile bescheren. Es muss also an uns selbst liegen. Warum lassen wir uns wie Jobber bezahlen, handeln aber dabei wie Berufene, die vergessen haben, dass der Feierabend die Trennung von Beruflichem und Privatem markiert und nicht etwa die örtliche Verschiebung der Arbeit vom Büro ins Zuhause meint? Sind wir noch ganz bei Trost? Ich glaube nein. Wir sind mittlerweile so out of balance und worked out, dass die meisten von uns ohne Anstoß von außen unfähig sind, sich aus der Jobfalle zu befreien.

Was nun? Selbstreflexion und Selbsteinordnung sind gefragt. Ich zähle mich unglücklicherweise zu jener Spezis Arbeitnehmer, die nur Vollgas geben können. Die Konsequenz: Ich rangiere aus Arbeitgebersicht unter dem geschätzten Angestelltentypus "willig und billig". Wenn ihr euch auch dazu zählt, dann müsst ihr euch fragen, ob das Wort "Selbstständigkeit" in seiner wörtlichen Sezierung in "ich arbeite selbst und ständig" als Drohkulisse noch Abschreckung erzeugt. Bei mir ist es weder die Zeit noch die Beständigkeit, die mich besorgniserregend in der Anstellung bewahren. Vielmehr ist der Job Zeitfresser und Ausbremser. Er sorgt vor allem dafür, dass ich mich mit meiner eigenen Exit-Strategie in produktiven Randzeiten irgendwo zwischen Toilettengang und Kommaschlaf befasse. Klingt nach Selbstaufgabe? Nein, eher als Aufmunterung sein Zeitinvestment konsequent zu drosseln und als Entschuldigung dafür, dass ich zwei Wochen keinen Beitrag mehr geschrieben habe. Deswegen ab sofort: Mehr Zeit für Auszeit.


"Gut Ding braucht Weile" - Die SWEAT-Analyse von Mark E. Tingag und sein Durchbruch als selbständiger Berater



Montag, 7. November 2011

Gut Holz!

Gerade als Vater muss ich über meine eigene Naivität schmunzeln. Einen in ca. acht Wochen werdenden Papa in einen philosophierenden Gründertrupp mit einzubeziehen, grenzt entweder an grobe Menschenunkenntnis und erschreckende Empathielosigkeit oder ist die kunstvolle Abstraktion  jeglicher kontextueller Bezüge, die andere Personen davon abhalten, sich abteuerlustig ins Ungewisse zu stürzen. Ich entscheide mich für erstere Auslegung. Wenn ich hier also jemanden einen Vorwurf mache, dann in erster Linie mir selbst.

Auch wenn es mir um die Meinung besagter Vater in spe Person natürlich schade ist, ist mir eines sehr deutlich geworden: je öfter man mit ausgewählten Personen über seine Idee spricht, desto sicherer formen die einzelnen Splitter ein Stück Holz. Und ein Stück Holz hat doch was solides und an sich etwas festes. Mit "Gut Holz!" begrüßt man sich nicht zufälllig beim Bowling und Kegelsport. Damit wünscht man seinem Kontrahenten viel Glück. Die Analogie gibt dem ganzen "Ich-mach-mich selbständig-Gequatsche" eine wohltuende Erdung.

Ich habe mich aus oben beschriebener Erfahrung heute dazu entschlossen nach dem Prinzip selected source innovation zu verfahren. Ein ausgewählter, von mir bestimmter Personenkreis wird jetzt eingeweiht und muss sich durch die Idee, die mittlwerweile in 25 Seiten PDF beschrieben und bebildert ist, durcharbeiten. Ob das Höchststrafe oder Vergnügen ist, versuche ich in Vorabgesprächen herauszukriegen. Das geht in etwa so: Werde ich nach Gesprächen mit den Worten, "... und schick mal das Konzept" verabschiedet, doktor ich noch ein paar Tage am Dokument herum. Nicht das dies den entscheidenden Unterschied machen würde, aber das "Baby" soll bitteschön ordentlich anzusehen sein, wenn es durchs Land zieht. Dann frage ich den werdenden Vater und meinen Mitausdenker um Einwilligung und schicke es raus.

Beschriebenes Prozedere ist heute das erste Mal zur Anwendung gekommen. Ich warte jetzt gespannt auf das Urteil meiner bisherigen Mitstreiter und hoffe auf ein, "ja, klar!" Und: "Gut Holz!"

Zeitlos, klar und direkt - die keglerische Grußformel "Gut Holz"
eingebettet in Wappen und Vereinsnamen


Dienstag, 25. Oktober 2011

Horizonte sehen

Beim Besuch in Hamburg habe ich es meinem Kumpel nach zwei Tagen Biergelage am Sonntagabend unter die Nase gehalten: ein Konzept in die Selbständigkeit. Taktisch ein guter Zeitpunkt, nicht nur wegen der noch latent vorhandenen Bierbenebelung, sondern weil mit Sonntag die Angestelltenwoche quasi vor der Tür steht und die innere Grundhaltung auf, "ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll", umschlägt. Dieses Zitat von Georg Christoph Lichtenberg verwende ich in letzter Zeit übrigens häufiger. Es passt irgendwie immer. Versucht es am besten mal selbst.

Die Reaktion auf das Konzept war erwartungsgemäß gut - ach was - sehr gut, denn mein Kumpel fing direkt an weiterzuspinnen und Fragen zu stellen. Fragen, die ich noch nicht gestellt hatte und solche Detailfragen, bei deren Beantwortungsversuchen ich als Einzelintelligenz schon beim Aushecken gescheitert bin.

Auch an diesem Abend blieb vieles unbeantwortet. Dafür bin ich mit dem guten Gefühl ins Bett gegangen, dass das Konzept Potenzial hat. Es war das erste Mal, dass mein Co-Kreateur und ich es einer Person gezeigt hatten, deren Urteil nicht voreingenommen und nicht ideenverliebt fiel: Mein Kumpel war weder an der Entstehung beteiligt noch habe ich vorher durchsickern lassen, um was es geht. Mindert man seine Euphorie für das Konzept um seine generelle positive Einstellung und Haltung pro Selbständigkeit ab und definiert unser beider Restblutalkohol als Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 Prozent, bin ich immer noch mit 90 prozentiger Sicherheit eingeschlafen, auf dem richtigen Weg zu sein.


"Es gibt noch viel zu tun" - Kräne am Horizont des Hamburger Hafens

Montag, 17. Oktober 2011

Neustart

Neustart - auch wenn das Jahr noch nicht rum ist? Warum nicht, schließlich geht es ums morgens aufstehen, um etwas sinnvolles zu tun. Jeden Tag aufs Neue. Dafür braucht es keinen Jahreswechsel, sondern einen Einstellungswechsel. Wir nennen es Arbeit, Meconomy, Marke Eigenbau, Die Kunst kein Egoist zu sein, Erfolgreiches Managen von Instabilität... vieles von dem, was ich lese, gelesen habe oder gerne lesen würde, wenn ich mehr Zeit hätte, kreist um die immer gleiche Thematik: Ums Verändern, Aussteigen und Neumachen.

Darum soll es in diesem Blog gehen. "Wirtschaft ist zu wichtig, um sie den Großen zu überlassen", schrieb Günter Faltin und hat mich, wie die vielen anderen klugen Menschen, die mir über den Weg gelaufen sind, überzeugt, dass die Impulse von uns selbst ausgehen müssen.

Ich werde hier also ab sofort alles sammeln, was mich impulsiv bewegt hat. Dabei beschränke ich mich auf Dinge, die thematisch über der Gürtellinie stattfinden. Projekt 2013 dient auch meiner eigenen schöpferischen Metamorphose hin zu einem Lebensarbeit-Konzept, das - in welcher Gestalt auch immer - auf einem hohen Maß an Identifikation und Sinnhaftigkeit aufbaut. Quasi der Ausstieg zum Einstieg. Ausgang unbekannt.

"Ausgang unbekannt" - U-Bahn Schacht in Shanghai